Das Sozialgericht Dresden hat bereits 2012 in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes entschieden, dass ein Arbeitnehmer einen Anspruch auf einen höhenverstellbaren Schreibtisch gegen die gesetzliche Rentenversicherung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben hat. Dieser Anspruch ist vorrangig gegenüber einem Anspruch gegen den Arbeitgeber auf behindertengerechte Ausstattung des Arbeitsplatzes.

Der 47-jährige Antragsteller ist als Service Center Agent in einem Callcenter beschäftigt. Er leidet insbesondere an einem Pseudoradikulärsyndrom der Lendenwirbelsäule bei erheblicher Bandscheibenverschmälerung und deutlicher Belastungsinsuffizienz. Aufgrund dieser Einschränkungen begehrt er von der Rentenversicherung u.a. die Übernahme der Kosten für einen Schreibtisch mit einer sogenannten Sitz-Steh-Dynamik. Darunter versteht man einen Schreibtisch, der es möglich macht, dass die Arbeitsfläche des Schreibtischs so in der Höhe verstellt werden kann, dass im Wechsel sowohl sitzend als auch stehendgearbeitet werden kann.

Das Gericht hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einen solchen Anspruch für begründet gehalten und den Träger der Rentenversicherung dazu verpflichtet, dem Antragsteller eine kostenfreie Nutzung des höhenverstellbaren Schreibtisches zu gewähren.

 

Gemäß § 9 Absatz 2 Sozialgesetzbuch 6 erbringe die Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, wenn die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt seien und kein Ausschlussgrund vorliege. Als Rechtsfolge würden Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gewährt, wobei der Träger der Rentenversicherung im Einzelfall unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit die Art, die Dauer, den Umfang, den Beginn und die Durchführung der Leistungen nach pflichtgemäßem Ermessen bestimme.

Der insoweit hier dem Grunde nach bestehende Anspruch des Antragstellers auf Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben umfasse gemäß § 16 Sozialgesetzbuch 6 i. V. m. § 33 Absatz 1 Sozialgesetzbuch 9 die erforderlichen Leistungen, um die Erwerbsfähigkeit behinderter oder von Behinderung bedrohter Menschen entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit zu erhalten, zu verbessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben möglichst auf Dauer zu sichern.

Erforderlich in diesem Sinne seien aber nur solche konkreten Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, durch die bei erheblich gefährdeter Erwerbsfähigkeit eine Erwerbsminderung voraussichtlich abgewendet werden kann oder bei bereits geminderter Erwerbsfähigkeit diese voraussichtlich wesentlich gebessert oder wiederhergestellt oder deren wesentliche Verschlechterung abgewendet oder wenigstens der bisherige Arbeitsplatz erhalten werden kann.

Eine solche Erforderlichkeit liege aufgrund der Behinderung des Antragstellers vor.

Darüber hinaus hat das Gericht ausgeführt, dass keine Leistungsverpflichtung des Arbeitgebers bestehe. Vorrangig sei der Rentenversicherungsträger zuständig. Auch könne der Rentenversicherungsträger nicht damit durchdringen, dass er den Arbeitsplatz insgesamt nicht für geeignet halte. Sobald ein Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz eingenommen hat, der nunmehr aufgrund einer Behinderung gefährdet ist, muss der Rentenversicherungsträger grundsätzlich tätig werden.

Aufgrund des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit steht die Auswahl des konkreten Hilfsmittels jedoch im Ermessen des Rentenversicherungsträgers. Dieses muss zwar die festgestellten Anforderungen erfüllen, das konkrete Modell ist aber nicht vom Arbeitnehmer auszuwählen.

 

Im März 2016 hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz entschieden:

Ein täglich mehrfach höhenverstellbarer Schreibtisch (sog Steh-Sitzdynamik) kann ein dem Versicherten von der gesetzlichen Rentenversicherung als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben (§§ 9, 16 SGB VI, 33 Abs 8 S 1 Nr 4 SGB IX) zu verschaffendes Hilfsmittel zur Berufsausübung darstellen.

In dem entschiedenen Fall ging es um einen 52-jährigen, 196 cm großen Kläger, der als Versicherungskaufmann bei einem Haftpflichtversicherer als Kundenbetreuer im Geschäftsstellenkundendienst arbeitete und zwar ausschließlich im Innendienst in sitzender Haltung mit Publikumsverkehr, Bildschirmarbeit und Telefonbenutzung. Vom Arbeitgeber war sein Arbeitsplatz mit einem nicht höhenverstellbaren Schreibtisch ausgestattet sowie mit einem Schreibtischstuhl mit verstellbarer Rückenlehne. Der Arbeitgeber lehnte es ab, sich an den Kosten für die Anschaffung eines täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisches zu beteiligen. Der Kläger war nicht schwerbehindert und auch nicht einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt. Bei ihm bestanden degenerative Veränderungen der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule.

Die beklagte Rentenversicherung wurde sowohl vom Sozialgericht (Koblenz), als auch vom Landessozialgericht zur Kostenerstattung verurteilt. Dem Kläger, so das Sozialgericht, stehe ein Anspruch gegen die Beklagte auf Übernahme der Kosten für einen höhenverstellbaren Schreibtisch zu, weil eine erhebliche Gefährdung der Erwerbsfähigkeit vorliege, wie sich aus den ärztlichen Unterlagen, insbesondere dem eingeholten Gutachten des Dr. B. ergebe. Dieser könne mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch entgegengewirkt werden.

Dem schloss sich das Landessozialgericht an, die Rentenversicherung sei als Rehabilitationsträger zur Kostenübernahme verpflichtet, da bei dem Kläger wegen seiner Krankheit/Behinderung die Versorgung mit einem täglich mehrfach höhenverstellbaren Schreibtisch zur Ausübung seiner konkreten Tätigkeit an seinem konkreten Arbeitsplatz notwendig sei. Ein höheneinstellbarer Schreibtisch oder ein Schreibtisch mit fester Arbeitshöhe sei nicht mehr ausreichend. Die Betriebsärztin habe in ihren Stellungnahmen ausgeführt, dass der Schreibtisch des Klägers seiner Körpergröße nicht entspreche und aufgrund der Beschwerden höhenverstellbar sein müsse, indem er ein Arbeiten wechselnd im Sitzen und Stehen ermögliche. Dies hätten sowohl der behandelnde Arzt, als auch der Sachverständige bestätigt. Andere Sitzkonzepte (z.B. Stehhocker) seien nicht ausreichend. Der Kläger benötige nämlich einen Arbeitsplatz, auf welchem Computer, Akten, Telefon und Schreibunterlagen Platz fänden. Dies sei bei den anderen Ausstattungsmöglichkeiten des Arbeitsplatzes nicht gewährleistet.

Ich danke Herrn Rechtsanwalt David Köper aus Hamburg für die freundliche Erstellung dieses Gastbeitrages!

 

In diesem Video zeige ich Ihnen, wie Sie ein ergonomisches Hilfsmittel bei der Deutschen Rentenversicherung beantragen:

 

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