Im Jahr 1997 wurden bei der Drägerwerk AG 38 Arbeitsplätze mit integrierten Tischstehpulten der Fa. officeplus ausgestattet und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der bewegungsergonomischen Handhabung geschult.

17 Beschäftigte, die in einem Zeitraum von über 5 Jahren mit dem officeplus-Stehpult gearbeitet hatten, wurden 2003 zur Arbeits- und Belastungssituation, zum Gesundheitsstatus und zum Gesundheitsverhalten am Arbeitsplatz schriftlich befragt.

Mit diesen Daten war eine Abschätzung über nachhaltige Wirkungen der durchgeführten Intervention möglich.

Die Ergebnisse zeigen positive Effekte auf: Je stärker ein bewegungsergonomisches Verhalten ausgeprägt ist, desto häufiger können negative Gesundheitsfolgen vermieden werden.

Daneben kann ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Intensität der Nutzung des officeplus-Stehpultes und dem Wohlbefinden am Arbeitsplatz belegt werden.

In welcher Weise schlagen sich diese Effekte nun ökonomisch nieder?

In der folgenden Modellrechnung soll der Return-on-Investment der Arbeitsplatzausstattung mit officeplus-Stehpulten anhand einer Kosten-Nutzen-Analyse ermittelt werden. Dabei werden hinsichtlich der Modellparameter vorsichtige Annahmen zum erfolgten Nutzen gemacht, um sich nicht der Gefahr des „Schönrechnens“ auszusetzen.

Kostenbetrachtung

Für die Beschaffung der 38 officeplus-Stehpulte und die Schulung der Mitarbeiter wurden im Jahr 1997 je Arbeitsplatz 600 € aufgewendet (Entspricht Stand 2016 ca. 800,- €). Für die betreffenden 17 Arbeitsplätze also insgesamt 10.200 € (Entspricht Stand 2016 ca. 13.600,- €). In den Jahren 1998 bis 2002 wurden keine weiteren Kosten mehr aufgewendet.

Nutzenbetrachtung

Bei der Abschätzung des Nutzens spielen im Wesentlichen zwei Dimensionen eine Rolle:

  1. Einsparungen durch Vermeiden von Arbeitsausfällen (Krankheitstage durch Arbeitsunfähigkeit hinsichtlich von Beschwerden im Muskel- und Skelettsystem) auf der einen Seite und
  2. Produktivitätssteigerungen durch Verbesserung der Arbeitszufriedenheit, der Motivation und des Wohlbefindens auf der anderen Seite.

In der Modellrechnung werden bezüglich des Arbeitsausfalls insgesamt – bezogen auf die 17 Beschäftigten – folgende Annahmen gemacht:

1998 Vermeidung von 3 Arbeitsunfähigkeitstagen: 1.500 €

1999 Vermeidung von 3 Arbeitsunfähigkeitstagen: 1.500 €

2000 Vermeidung von 8 Arbeitsunfähigkeitstagen: 4.000 €

2001 Vermeidung von 5 Arbeitsunfähigkeitstagen: 2.500 €

2002 Vermeidung von 18 Arbeitsunfähigkeitstagen: 9.000 €

(Arbeitsausfallkosten pro Arbeitsunfähigkeitstag werden mit 500 € angenommen.)

In den 5 Jahren wurden vier kurzfristige Arbeitsunfähigkeiten von jeweils drei Tagen, zwei mittelfristige von jeweils fünf Tagen und eine langfristige von 15 Tagen vermieden.

Im Modell wird also angenommen, dass ohne die Intervention (Arbeitsplatzausstattung mit officeplus-Stehpulten) in den zugrunde gelegten fünf Jahren bei den 17 betroffenen Beschäftigten 37 Arbeitsunfähigkeitstage mehr aufgetreten wären.

Damit ergibt sich durch die Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit insgesamt ein bewerteter Nutzen von 18.500 € (37 x 500 €).

Bei der Modellrechnung ist mit 37 Tagen ein sehr geringer Einspareffekt angenommen worden: Von insgesamt 18.700 Tagen (17 Beschäftigte x 5 Jahre x 220 Tage) sind 37 Tage Arbeitsausfall vermieden worden. Wenn man berücksichtigt, dass in den zugrunde gelegten fünf Jahren das Durchschnittsalter der 17 Beschäftigten sich auch um fünf Jahre erhöht hat und in diesem Zeitabschnitt die Bildschirmanbindung der Arbeitstätigkeit stark angestiegen ist, würde der reale Arbeitsausfall viel höher ausgefallen sein als in der Modellannahme mit 37 Tagen. Mit anderen Worten: In der Modellrechnung wird der Arbeitsausfall durch Arbeitsunfähigkeit unterschätzt.

Hinsichtlich der Produktivitätssteigerungen durch die durchgeführten Arbeitsplatzmaßnahmen des officeplus-Stehpulteinsatzes können die Befragungsergebnisse von 2003 für die Modellannahmen herangezogen werden:

In dieser Befragung haben über 80% der Mitarbeiter sowohl eine Verbesserung des Wohlbefindens durch die Steh-Sitz-Dynamik erklärt und als auch eine Verbesserung der Arbeitszufriedenheit durch die Nutzung des integrierten Stehpultes angegeben. Daraus lässt sich nachhaltig eine hohe Akzeptanz der durchgeführten Maßnahmen ableiten.

Kosten- Nutzen-Analysen für Maßnahmen betrieblicher Gesundheitsförderung auf Basis von Unternehmensdaten liegen insbesondere durch US-amerikanische Veröffentlichungen vor (Terborg 1995, Pelletier 1996, Aldana 2001).

Aus dieser empirischen Datenbasis zeigt sich, dass die Vermeidung von Arbeitsausfällen nur 5 bis 10% des ökonomischen Nutzens einer Interventionsmaßnahme betrieblicher Prävention und Gesundheitsförderung ausmachen.

50 bis 75% resultieren dagegen aus Produktivitätssteigerungen!

Vor dem Hintergrund dieser empirischen Datenbasis und der spezifischen deutschen Unternehmenssituation (Krankheitskosteneinsparungen sind nicht betriebsrelevant) werden folgende Modellannahmen gemacht:

15% des Gesamtnutzens beziehen sich auf Vermeidung von Arbeitsausfallkosten, 75% beziehen sich auf Produktivitätssteigerungen und 10% auf Vermeidung von Kosten durch Fluktuation und Qualitätsverbesserungen.

Ein Anteil von 75% am Gesamtnutzen für Produktivitätssteigerungen kann insbesondere aus zwei Gründen angenommen werden: Einerseits ist die Akzeptanz des Stehpulteinsatzes bei den Mitarbeitern über die fünf Jahre nachhaltig hoch und andererseits bezieht sich die verhältnispräventive Maßnahme auf die Gesamtheit der 17 Beschäftigten (d.h. quasi eine „Teilnahmequote“ von 100 %).

Der Anteil der Produktivitätssteigerungen am Gesamtnutzen beträgt bei der gemachten Modellannahme 92.500 €. Der Nutzen infolge der Produktivitätssteigerungen ist also 5 mal höher(!) als der Nutzen durch die Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit.

In 5 Jahren je Mitarbeiter Gesamt
Kosten Gesamt –     600 € –  10.200 €
Arbeitsgewinn + 1.088 € + 18.500 €
Produktivität + 5.441 € + 92.500 €
Summe    5.929 €  100.800 €

Kosten- Nutzen – Gegenüberstellung

Bei einem bewerteten Nutzen durch die Vermeidung von Arbeitsunfähigkeit von 18.500 € und der Modellannahme 15% ergibt sich ein Gesamtnutzen von 123.333 € durch die Maßnahme des Stehpulteinsatzes. Mit den oben angegebenen Kosten des Stehpulteinsatzes von 10.200 € errechnet sich eine Benefit-Cost- Ratio von 12,09.

Mit anderen Worten:

Für jeden investierten Euro beim officeplus-Stehpulteinsatz ergibt sich ein Return-on-Investment von etwa 12 Euro.

Diese Rate übersteigt die häufig im Rahmen von Evaluationsstudien ermittelten Raten zwischen 3 und 8 (vgl. z.B. Aldana 2001). Dies kann damit begründet werden, dass es sich bei der durchgeführten Intervention um eine verhältnispräventive Maßnahme handelt (alle Mitarbeiter partizipieren an der Maßnahme), während die in der Literatur herausgestellten Quoten von 3:1 bis 8:1 sich auf verhaltenspräventive Maßnahmen beziehen (in der Regel partizipieren dabei nicht alle Mitarbeiter).

Darüber hinaus zeigt sich, dass aus der ergonomischen Arbeitsplatzausstattung mit officeplus-Stehpulten ein weit überdurchschnittlicher ökonomischer Nutzen resultiert, der sich in der sehr hohen Benefit-Cost-Ratio widerspiegelt.

 

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Bleiben Sie in Bewegung! Ihr Christof Otte

 

Auszug aus „Evaluation des Einsatzes von officeplus-Stehpulten bei der Drägerwerk AG

Literatur

Terborg, J. R. (1995) Computer Simulation: A Promising Technique for the Evaluation of Health Promotion Programs at the Worksite. In: Kaman,  R. L. (Ed) Worksite Health Promotion Economics. Buffalo.

Pelletier K. R. (1996) A Review and Analysis of the Health and Costeffective Outcome Studies of Comprehensive Health Promotion and Disease Prevention Programs at the Worksite: 1993-1995 Update. In: American Journal of Health Promotion 10(5), S. 380ff.

Aldana S. G. (2001) Financial Impact of Health Promotion Programs: A Comprehensive Review of the Literature. In: American Journal of Health Promotion 15(5), S. 296ff.

Projektleitung

Prof. Dr. Detlef Krüger

FGAT – Forschungsgruppe Arbeitssoziologie und Technikgestaltung GmbH, Berlin

 

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