Leiden Sie auch unter „Präsentismus“?

Nein, das selber ist keine Krankheit, eher ein sich selbst und Ihrem Unternehmen schadendes Verhalten.

Was ist das nun? Wenn beschäftigte trotz Krankheit weiter ihrer Arbeitstätigkeit nachgehen, das ist dann der „Präsentismus“ (Hägerbäumer 2017).

Da finden wir uns doch alle mehr oder weniger wieder. Vielleicht sogar jetzt gerade, am Gipfel der alljährlichen Grippewelle…

Die Gründe, trotz Husten, Schnupfen und Heiserkeit am Arbeitsplatz zu erscheinen, sind naheliegend: Pflichtgefühl und Teamgeist, insbesondere aber auch Anwesenheitszwänge, z.B. wegen Arbeitsplatzunsicherheit, so die Ergebnisse von Beschäftigungsbefragungen (Wieland & Hammes 2010, Miraglia & Johns 2015).

Insbesondere neigen beschäftigte mit einer hohen Arbeitszufriedenheit sowie einer hohen Bindung eher dazu, trotz Krankheit am Arbeitsplatz zu erscheinen (Miraglia & Johns 2015).

Und das ist nicht gut – gar nicht gut!

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Zunächst könnten wir ja annehmen, das die Anwesenheit doch klasse ist: Es kommt zu keinem scheinbar teuren Ausfall, Arbeit bleibt nicht liegen oder es muss keine Vertretung organisiert werden. Die Mitarbeiter werden auch entlastet, schließlich müssen sie nicht die Arbeit des kranken Kollegen übernehmen.

Weit gefehlt…

Wir schaden uns – und unserem Unternehmen! Es wird, und das wollen wir gerade nicht, teurer und ungesünder.

Wieso das?

Bzgl. der individuellen Gesundheit scheint es zunächst naheliegend: Wer sich nicht ordentlich auskuriert schleppt die Krankheit länger mit sich herum, verschleppt diese schließlich und setzt sich der Gefahr eine Chronifizierung aus. Außerdem birgt eine Anwesenheit am Arbeitsplatz bei Infektionskrankheiten die Gefahr einer Verbreitung im Kollegenkreis. Es gibt Untersuchungen die darauf hinweisen, das wiederholtes Arbeiten trotz Krankheit zu ernsthaften gesundheitlichen Konsequenzen führen kann (Demerouti et al. 2009; Kivimäki et al. 2009).

Schwer verständlich scheint es nun bzgl. den unternehmerischen Kosten zu sein: Bödeker und Hüsing fanden 2008 heraus, das Präsentismus oftmals mit einer verminderten Konzentration, vermehrten Fehlern sowie Produktivitätseinbußen einhergeht.

Dito, das habe ich fast vermutet… Aber für den Arbeitgeber oder das Unternehmen doch immer noch besser, als gar nicht zu arbeiten!?

Booz & Company haben 2011 berechnet, dass Präsentismus einem deutschen Unternehmen für jeden Mitarbeiter im Schnitt 2.400 € pro Jahr kostet. Dagegen schlagen die Fehlzeiten mit nur der Hälfte zu Buche. Hägerbäumer (2017) kommt zu dem Schluss, dass die Berücksichtigung von Präsentismus eine hohe ökonomische Relevanz für Unternehmen hat.

Ein Drittel der Kosten entfallen auf Fehlzeiten, zwei Drittel werden aufgrund von Leistungseinbußen durch Präsentismus bedingt (Booz & Company 2011).

Die hohen Kosten für Präsentismus werden durch folgende Faktoren verursacht:

  • Produktivitätseinbußen des Betroffenen
  • Gefahr der Ansteckung bei Infektionserkrankungen unter Arbeitskollegen
  • Langfristig erhöhte Fehlzeiten durch unzureichend auskurierte Krankheiten
  • Langfristig erhöhte Leistungseinbußen durch unzureichend auskurierte Krankheiten
  • Zunahme der gesundheitlichen Problematik durch den demographischen Wandel

 

So wirken Sie dem Präsentismus entgegen:

  • Prävention von Erkrankungen im Rahmen eines betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM)
  • Sensibilisierung für ein gesundheitsgerechtes Verhalten
  • Sensibilisierung über die Auswirkungen des Präsentismus
  • Thematisierung selbstschädigenden Verhaltens
  • Abbau von Faktoren, die einen Anwesenheitsdruck erzeugen (hohe Arbeitsdichte, Ergebnisverantwortung, mangelnde Vertretungsmöglichkeiten)
  • Ausbau von Ressourcen im Unternehmen, da Präsentismus aus einem Ungleichgewicht von Anforderungen und Ressourcen resultiert
  • Der körperlichen und psychischen Gesundheit als wertvolles Gut muss ein hoher Stellenwert eingeräumt werden
  • Führungskräfte sind Multiplikatoren und müssen ein gesundheitsgerechtes Verhalten vorleben
  • Wenn möglich: Reduzierung von Arbeitsplatzunsicherheiten

 

Jetzt aber bitte nicht in das Gegenteil verfallen: Absentismus – oder im Volksmund auch “Krankfeiern” genannt.

 

Wie sind Ihre Erfahrungen zum “Präsentismus”? Schreiben Sie mir einen Kommentar, ich würde gerne mit Ihnen darüber diskutieren!

 

Bleiben Sie in Bewegung! Ihr Christof Otte

 

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Quellen

Bödeker, W.; Hüsing, T. (2008) Fehlzeiten und Produktivitätseinschränkungen durch gesundheitliche Probleme. In: IGA-Report 12, 91ff.

Booz & Company (2011) Vorteil Vorsorge. Die Rolle der betrieblichen Gesundheitsvorsorge für die Zukunftsfähigkeit des Wirtschaftssdandortes Deutschland. Felix Burda Stiftung München.

Demerouti, E. et al. (2009) Present but sick: A three-wave study on job demands, presenteeism and burnout. In: Career Development International 14, 50ff.

Hägerbäumer, M. (2017) Risikofaktor Präsentismus – Hintergründe und Handlungsempfehlungen. In: Newsletter Corporate Health Network, 1.

Kivimäki, M. et al. (2003) Sickness absence as a global measure of health: Evidence from mortality in the Whitehall II prospective cohort study. In: British Medical Journal 327, 364ff.

Miraglia, M.; Johns, G. (2016) Going to work ill: A meta-analysis oft he correlates of presenteeism and a dual-path model. In: Journal of occupational health psychology 21 (3), 261ff.

Wieland, R. et al. (2012) Gesundheitskultur in Unternehmen stärken – Präsentismus und organisationale Gesundheitskompetenz. In: Deutsche Medizinische Wochenschrift 137 (SO3), A359.